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Philosophische Praxis und Spirituelle Praxis

Interview über philosophische und spirituelle Themen aus dem Jahr 2002

Jede Wahrheit hat ihre eigene Zeit und ihren eigenen Raum. Das hier wiedergegebene Gespräch fand vor rund siebzehn Jahren statt. Vorausgegangen waren Jahre mit zahlreichen transpersonalen Erfahrungen, in denen mir Urvertrauen geschenkt wurde, mit der "Auflage", alles loszulassen, was mir lieb und teuer war. Teilweise gelang mir das, und die Dinge, die ich noch nicht loslassen konnte, wurden mir genommen, einschließlich meines materiellen Besitzes.

Ohne diese Erfahrungen wäre ich damals vielleicht verzweifelt, doch ich erfuhr die Wahrheit der Aussage Hölderlins, dass wo Gefahr ist, auch das Rettende wächst. Manche meiner Gedanken aus dem Jahr 2002 kommen mir heute etwas weltfremd vor, doch viele der angesprochenen Punkte würde ich auch nach so langer Zeit ähnlich formulieren.

Ich bin nie auf die Idee gekommen, meine damaligen Erfahrungen als Erleuchtung zu bezeichnen. Doch kann ich ohne Übertreibung sagen, dass ich zu jener Zeit einen tiefgreifenden Wandel erfuhr, der mit nichts, was ich vorher oder nachher erlebte, vergleichbar ist.

Dieser Wandel basierte auf der unerschütterlichen Gewissheit, untrennbar mit dem Unvergänglichen verbunden zu sein, für alle Zeiten lieben zu können und für immer geliebt zu werden. Das mag romantisch klingen, ist aber für mich eine Wirklichkeit, die mein Leben seit dieser Zeit prägt. Unter Liebe verstehe ich, alles so wahrzunehmen und anzunehmen, wie es ist.


Befreiung im philosophischen wie im spirituellen Sinne bedeutet für mich in erster Linie, den Egofaktor zu senken. Ich habe mir angewöhnt, diese Quote bei allem, was Menschen tun oder unterlassen, auf einer Skala von 0 bis 1000 bewusst oder unbewusst einzuschätzen. Zu der Zeit, als das folgende Gespräch geführt wurde, taxiere ich meinen persönlichen Egofaktor auf einige Punkte höher als heute.

Da nach meinen Erfahrungen Befreiung im spirituellen Sinne kein absoluter Begriff, sondern ein Prozess ist, gehört für mich zur Befreiung auch, zu seiner eigenen Vergangenheit ohne Wenn und Aber zu stehen. Aus diesem Grund bin ich bisher - im Jahr 2019 - der Versuchung widerstanden, diese alte Unterseite vom Netz zu nehmen.

Interview aus dem Jahr 2002

Die Fragen werden jeweils mit den Initialen meiner Interviewpartnerin - C.L.- eingeleitet, meine Antworten mit A.T.
Hier zunächst die wichtigsten Themen des Gesprächs:

  • Wahrheit
  • Begriffliche und intuitive Wahrnehmung
  • Religion und Spiritualität
  • Philosophia perennis
  • Das Daimonion = innere Stimme
  • Wu wei = Handeln im Nichthandeln
  • Rationalismus und instrumentelle Vernunft
  • Globale Krise und Bewusstseinswandel
  • Jesus von Nazareth und östliche Traditionen
  • Philosophische Implikationen der Quantenphysik
  • Explizite und implizite Ordnung – Multiversum – Materie – Geist – Licht
  • Tao
  • Platons Höhlengleichnis
  • Tiefenpsychologische Elemente, u. a. Schatten, Traumanalyse, Individuation
  • Nahtoderlebnisse
  • Integrativer Therapieansatz
  • Entflammung als pädagogisches Prinzip

Von den alten Lehren über die Quantenphysik bis zur modernen Pädagogik

C.L.
Sie haben für Ihre Praxis in Köln den ungewöhnlichen Namen Philosophisch-Spirituelle Praxis gewählt. Was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?
A.T.
Dahinter verbirgt sich das Unverhüllte. Im Altgriechischen bedeutet das Wort "aletheia" sowohl Wahrheit als auch das Unverhüllte. Ich gehe davon aus, dass alles was existiert, wahr ist im Sinne von unverhüllt. Wir Menschen neigen jedoch dazu, die Dinge zu verhüllen und nennen das dazu verwendete Verpackungsmaterial Wahrheit.

Niemand braucht die Wahrheit zu suchen. Sie ist immer schon da. Wenn wir sie erfahren wollen, brauchen wir sie nur wahrzunehmen, das heißt, wir müssen gar nichts tun, sondern etwas unterlassen, indem wir die Dinge einfach sein lassen, indem wir es sein lassen, sie zu verhüllen.

Verhülung
Mit unserer instrumentalisierten Wahrnehmung verhüllen wir die wahre Existenz der Dinge.
Doch in der Wirklichkeit taucht alles irgendwann wieder aus dem Nebel auf.

C.L.
Warum verhüllen wir die Wahrheit?
A.T.
Wir verhüllen die wahre Existenz der Dinge, weil wir ihnen unsere begrenzten subjektiven Vorstellungen davon, unsere Begriffe, Denkschemata, Kategorien usw. überstülpen.

Ein Beispiel: Wenn wir einen Schmetterling sehen, dann erfassen wir dieses Lebewesen zunächst begrifflich. Wir kategorisieren es und kleben gegebenenfalls noch ein Etikett, zum Beispiel schön darauf. Es berührt uns nur peripher.

Ein Kind, das zum ersten Mal einen Schmetterling sieht, hat noch keinen Begriff davon und deshalb auch keine Distanz dazu. Sein ganzes Wesen wird von der Erscheinung des Tieres erfasst, ja man könnte sagen, im Augenblick der Wahrnehmung ist es dieser Schmetterling. Beobachter und beobachteter Gegenstand sind eins: kein Subjekt, kein Objekt, reine Wahr-Nehmung.

Unbeschwerte Kindheit
Die Philosophie der kindlichen Wahrnehmung:
Ich bin, was ich wahrnehme.


C.L.
Das klingt sehr romantisch. Sollten wir etwa ganz auf Begriffe verzichten?
A.T.
Darum geht es nicht. Ohne Begriffe wären wir in der heutigen Welt kaum überlebensfähig. Das Problem ist, dass die meisten westlichen Menschen praktisch nur noch begrifflich wahrnehmen können. Sie können nichts mehr so sein lassen, wie es ist.

Der Kindermord des Herodes ist nichts im Vergleich zu der aus Profitsucht und Machtgier institutionalisierten Tötung von Kinderseelen in unserer modernen Zivilisation.

Warum gibt es in letzter Zeit so viele Veröffentlichungen zum Thema Inneres Kind? Weil uns das Kindsein systematisch und in immer jüngeren Jahren ausgetrieben wird. Kinder sind im ökonomischen Sinne schlechte Produzenten.

Deshalb wird von ihnen erwartet, dass sie wenigstens ihre Kindheit opfern, um später umso bessere Produzenten zu sein. Kinder sind heute oft junge Erwachsene. Dabei wäre es besser, wenn umgekehrt Erwachsene alte Kinder wären, so wie Jesus es bereits vor 2000 Jahren zutreffend gefordert hat:

"Ich versichere euch, wenn ihr euch nicht ändert und den Kindern gleich werdet, dann könnt ihr in Gottes neue Welt überhaupt nicht hineinkommen." Matthäus 18.3

C.L.
Haben wir es gegenwärtig nicht eher mit dem Problem zu tun, dass den meisten Menschen die nötige Reife fehlt, dass sie sich weigern, erwachsen zu werden und unfähig sind, Verantwortung zu übernehmen?
A.T.
Da haben Sie natürlich recht. Aber das ist nur die andere Seite der Medaille. Das Fehlen der kindlichen Offenheit und die Unfähigkeit, erwachsen zu werden, bedingen einander.

Ein unreifer Erwachsener ist jemand, der im Stadium des frühkindlichen Narzissmus stecken geblieben ist. Unter einer reifen Persönlichkeit verstehe ich einen Menschen, der aus der narzisstischen Phase herausgewachsen ist, ohne sich von dem einzigartigen schöpferischen Potenzial der kindlichen Seele abgespalten zu haben. In diesem Sinne sind reife Persönlichkeiten in der heutigen Zeit eine absolute Rarität.

Wir blicken uns, wie Peter Sloterdijk es einmal formuliert hat, nach verlorenen Naivitäten um, "in die es kein Zurück mehr gibt, weil Bewusstmachungen irreversibel sind". Sind wir uns aber dieses Dilemmas bewusst, können wir durch gezielte "begriffliche Abrüstung" bei gleichzeitiger, kontinuierlicher Einübung einer meditativen Wahrnehmung gleichermaßen offen und weise sein.

C.L. Sie zitierten vorhin die Bibel. Darf ich daraus schließen, dass Sie ein religiöser Mensch sind?
A.T.
Ich bin kein Anhänger irgendeiner Religion, aber ich verstehe mich als spirituellen Menschen.

C.L.
Wo ist da der Unterschied?
A.T.
Religionen stellen meiner Meinung nach den Versuch dar, Spiritualität zu institutionalisieren, und ich bin kein großer Freund von Institutionen.

C.L.
Jesus hatte auch seine Jünger, Buddha die Arhats und den Sangha.
A.T.
Ja, aber das sind kleine, überschaubare Glaubensgemeinschaften in hautengem Kontakt mit dem spirituellen Meister. Dieser unmittelbare Bezug fehlt heute weitestgehend, besonders im Christentum. Zwar findet man hier und da engagierte Priester, die das leben, was sie lehren, aber sie sind eher die Ausnahme als die Regel. Wenn wir wahrhaftig sein wollen, müssen wir uns dem Urgrund allen Lebens anvertrauen.

Lassen Sie mich noch einmal Jesus zitieren: "Mein Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Aber es soll geschehen, was du willst, nicht was ich will." Matthäus 26.39

Durch einfaches Geschehenlassen vertraue ich mein Leben der universellen Schöpferischen Kraft an. In der sogenannten Philosophia perennis - der ewigen Philosophie im Sinne der großen spirituellen und mystischen Traditionen der Menschheitsgeschicht - gibt es unzählige Beispiele für diese Praktik.

Ich möchte hier nur einige herausgreifen, zum Beispiel die Identitätsmystik des indischen Brahmanismus, die Hingabe an Krishna als dem universellen Schöpfungsprinzip im Hinduismus, die wunschlose Versenkung in das Tao als dem Weg der Vereinigung mit dem Urgrund aller Existenz im Taoismus, die Nirvana-Lehre im Buddhismus, die Mystik der Leere im Zen-Buddhismus, die "unio mystica" des Meister Eckehart im Christentum, die asketische Mystik des Sufismus im Islam, die Schöpfungsmythologien der Indianer ...

Krishna mit Flöte
Nach der Überlieferung steigt Krishna von Zeit zu Zeit in die materielle Welt hinab, um die Lehren der Veden neu zu verkünden. Am 19. Juli 3228 v. Chr. soll er in einer Gefängniszelle erschienen sein.

Wie Jesus hat er der Legende nach ein Herz für Kinder und wird oft als Jüngling dargestellt, der mit seiner Flöte zum Liebestanz einlädt.
C.L.
Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber das sind fast ausschließlich östliche Traditionen, die Sie hier anführen. Hat der Westen auf diesem Gebiet wirklich so wenig zu melden?
A.T.
Ich bin ja bereits auf das Christentum eingegangen und habe aufgezeigt, dass die Bergpredigt im Kern auf dem Hingabeprinzip basiert, dem Vertrauen in die göttliche Führung. Es beinhaltet die bedingungslose Unterwerfung des eigenen Wollens und Handelns unter das göttliche Gesetz. Sokrates hörte bekanntlich auf sein Daimonion, was sowohl innere göttliche Stimme als auch Naturgesetz bedeutet.

Bevor ich auf moderne westliche Ansätze zu sprechen komme, die an die Philosophia perennis anknüpfen, möchte ich noch auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen westlichem und östlichem Denken eingehen.

Nehmen wir zum Beispiel das taoistische Prinzip des Wu wei, das auch im Buddhismus und Hinduismus eine zentrale Rolle spielt, und das man am besten mit Handeln im Nichthandeln übersetzen kann. Damit ist gemeint, dass wir aus den inneren Erfordernissen der jeweiligen Situation heraus handeln sollen und nicht auf die Konsequenzen, auf Erfolg oder Misserfolg, persönlichen Vorteil oder Nachteil schielen sollen.

Wir tun, was Gott - als universelle Schöpferkraft -, das Tao - als Gesamtheit aller fortwährenden Prozesse des Universums - oder der Dharma - als kosmisches Gesetz im Buddhismus - von uns verlangen. Entsprechendes gilt für den Willen Krishnas im Hinduismus usw.

Dem modernen westlichen Denken ist dieses absichtslose, von individuellen Neigungen und Vorlieben freie Denken weitgehend fremd. In der Tradition des descartschen Rationalismus und des mechanistischen Weltbildes Newtons hat sich eine instrumentelle Vernunft herausgebildet, die alles und jeden zunächst einmal als Mittel zum Zweck betrachtet.

Gänse zum Beispiel werden beim Füttern bestialisch gequält, damit die Textur der Leber zarter wird. Ronald D. Laing nennt das Selbstentwürdigung durch Entwürdigung des Seienden selbst, in: Ronald D. Laing, Phänomenologie der Erfahrung, S. 53.

Wir nehmen in Kauf, dass täglich Tausende von Menschen an Unterernährung sterben, weil uns deren Überleben keinen Nutzen bringt. Wir nennen es Shareholdervalue-Prinzip – Primat der Sicherung des Aktienwertes –, wenn immer mehr Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren.

Wenn große Teile des Waldes sterben oder Flüsse ganze Landstriche verwüsten, sprechen wir von Naturkatastrophen. Zugegeben, das Bewusstsein hat sich diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten spürbar verändert, hat aber den verheerenden Trend bisher nicht aufhalten können.

Tausende von Menschen sterben täglich an Unterernährung, immer mehr Menschen werden arbeitslos, immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben aus.

Massentierhaltung
Ronald D. Laing, geb. 1927, britischer Arzt, Psychologe und Philosoph:
"Selbstentwürdigung durch Entwürdigung des Seienden selbst"

Welthunger Index 2014
Obwohl die Zahlen seit einigen Jahren rückläufig sind, waren gemäß den Zahlen der Welthungerhilfe in 2018 immer noch 821 Millionen Menschen unterernährt.
Laut Spiegel Online starben im Jahr 2013 weltweit 7.1 Millionen Kinder an Unterernährung.

C.L.
Wollen Sie Schopenhauer in seinem Pessimismus überbieten?
A.T.
Nein! "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." – hat Hölderlin einmal gesagt. Überall in der Welt formieren sich Kräfte. Denken Sie nur an die wachsende Zahl der Globalisierungsgegner, die sich den produktiven Vernichtungsfeldzügen der Globalisierungsfetischisten entgegenstellen. Der Kampf zwischen geld- und machtgierigem Materialismus auf der einen und mitfühlender Spiritualität auf der anderen Seite ist in vollem Gange.

C.L.
Wie wird dieser Kampf ausgehen?
A.T.
Schade, dass es das Orakel von Delphi nicht mehr gibt. Da hätten Sie möglicherweise eine Antwort auf Ihre Frage bekommen. Ich bin kein Hellseher, möchte mich Ihrer Frage aber nicht ganz entziehen, auch wenn ich mich dabei auf das Gebiet der Spekulation begebe.

Wir befinden uns in einer weltweiten Krise. Das altgriechische Wort crisis bedeutet sowohl Wendepunkt zum Besseren oder Schlechteren bei einer Krankheit, als auch Heilmittel > christos = der Gesalbte. Ich glaube, dass wir den Höhepunkt der Krise noch nicht erreicht haben. Es wird meiner Einschätzung nach noch mehr Hunger, noch mehr Arbeitslosigkeit, noch mehr Kriege geben.

In diesem Schicksal liegt aber auch eine Chance. Wir erleben zum ersten Mal in der Geschichte das globale Scheitern der instrumentellen Vernunft mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur. Daraus ergibt sich aber auch die Möglichkeit einer globalen Bewusstseinsveränderung.

Globalisierung
Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Die Globalisierung ist in vollem Gange. Wohin sie führt, liegt in unseren Händen.
Zwischen globaler Katastrophe und one world, one heart scheint alles möglich zu sein.

C.L.
Was gibt Ihnen Anlass zu dieser Zuversicht, und wie könnte der Bewusstseinswandel vonstattengehen?
A.T.
Ich beobachte sowohl die zerstörerischen Kräfte des materialistischen Geistes als auch die schöpferischen Kräfte des transzendenten Geistes.

C.L.
Und diese Zerstörungskräfte geben Ihnen Grund zur Hoffnung?
A.T.
Ja! Die Ersteren zerstören die Grundlagen des materiellen Lebens: Luft, Wasser, Erde, Sonne und auf der geistigen Ebene die Grundlagen des Selbst: Liebe, Entfaltung, Freiheit, Ganzheit. Damit mobilisieren sie immer mehr Menschen gegen sich und machen sie offen für neue Werte.

Letztere zerstören die Grundlagen der Anhaftung an das materielle Leben: Gier, Angst, Unwissenheit, Egozentrik und schaffen damit den Raum, in dem sich Selbstliebe, Selbstentfaltung, Selbstbefreiung und Selbsttranszendenz ereignen können.

C.L.
Die zerstörerischen Kräfte sind ja hinlänglich bekannt. Können Sie etwas zu den Ihrer Einschätzung nach schöpferischen Kräften sagen?
A.T.
Zunächst möchte ich betonen, dass es sich hier um eine dualistische Einschätzung handelt. In Wirklichkeit stellen diese beiden Kräfte die eine ungeteilte schöpferische Energie dar, die wir nur aufgrund unserer dualistischen Verblendung als Gut und Böse wahrnehmen.

Lassen Sie mich das am Beispiel der Bhagavadgita verdeutlichen, in der der Kampf beschrieben wird zwischen dem Höheren Selbst, das die Früchte unserer Handlungen nicht zum Beweggrund seines Willens werden lässt, und den von Verblendung und Habgier getriebenen Gottlosen.

Krishna stellt beiden Seiten die Mittel zum Kampf zur Verfügung, letzteren die materiellen, ersteren seinen geistigen Beistand. Er lässt keinen Zweifel daran, dass diejenigen, die sich für den göttlichen Weg entscheiden, siegen werden, selbst wenn sie ihr Leben dafür hingeben müssten.

Man beachte die Parallele zu Jesus:
"Wer sein Leben festhalten will, wird es verlieren. Wer es aber um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen." Matthäus 10.39

Bhagavadgita - Krishna und Arjuna
Krishna ermutigt den zweifelnden und zögernden Feldherrn Arjuna, den blutigen Kampf gegen die Gottlosen aufzunehmen.
Szene aus der Bhagavadgita

Es sind die zerstörerischen Kräfte des materialistischen Geistes, die um jeden Preis an ihrem Leben festhalten wollen. Weil sie fürchten, mit ihrem Tod dem Nichts anheimzufallen, klammern sie sich verbissen an alles Materielle, das ihnen zumindest vorläufige Sicherheit verspricht.

Im Widerspruch dazu und mit gleicher Verbissenheit klammern sie sich an ein transzendentes Leben, das sie in Gestalt eines rigorosen missionarischen Glaubensbekenntnisses umso imposanter auf ihre Fahnen schreiben, je weniger sie daran glauben können.

C.L.
Wollten Sie nicht etwas zu den schöpferischen Kräften sagen, mit denen die Hoffnung auf einen Bewusstseinswandel verknüpft ist?
A.T.
Ja natürlich. Die zerstörerischen Kräfte des transzendenten Geistes stellen ihre schöpferischen Energien in den Dienst einer sowohl tieferen als auch höheren Wirklichkeit, die der phänomenalen Welt zugrunde liegt. Ich habe bereits auf verschiedene Traditionen der Philosophia perennis verwiesen, in der der Urgrund allen Seins als Tao, Nirvana, Leere usw. bezeichnet wird. Nun komme ich auf die rettenden Kräfte im Sinne Hölderlins zu sprechen, die mich so zuversichtlich machen, dass wir uns an der Schwelle zu einem phänomenalen Bewusstseinswandel befinden.

David Bohm, einer der führenden theoretischen Physiker des 20.Jhs, entwickelte aus den revolutionären Erkenntnissen, die die Quantenphysik zutage gefördert hat, die Theorie, dass es neben dem manifestierten Teil des Universums, der expliziten Ordnung auch einen unmanifestierten Teil gibt, den er implizite Ordnung nennt. Diese bezeichnet er auch als Holomovement, von alt griech. "holos" = ganz und lat. "movere" = bewegen.

Es handelt sich um eine ganzheitliche Bewegung, die Quelle all dessen ist, was sich in der mit den Sinnen wahrnehmbaren materiellen Welt manifestiert. Nach Bohm bildet Materie nur ein winziges Tröpfchen eines Ozeans von Energie. Die implizite Ordnung stelle eine Realität dar, die die der Materie bei weitem übersteige.

David Bohm
David Bohm 1917 - 1992
David Bohm war einer der führenden theoretischen Physiker des 20. Jh.

Der Theologe Adolf von Harnack bezeichnete die theoretischen Physiker als "die wahren Philosophen des 20. Jahrhunderts".

C.L.

Das klingt in der Tat revolutionär. Welche philosophischen Konsequenzen lassen sich daraus ziehen?
A.T.
Daraus ergeben sich spektakuläre Schlussfolgerungen philosophischer und spiritueller Natur. So sei zum Beispiel jeder gegenwärtige Moment atemporal. Die Verknüpfung einzelner Augenblicke erfolge nicht in der Zeit, sondern in der impliziten Ordnung. Diese sei eine Leere, die gleichzeitig Fülle beinhalte. Eine Wortwahl, die praktisch identisch ist mit der buddhistischen Sichtweise.

Verblüffend ist ebenso die Beschreibung der Materie als kondensiertes bzw. gefrorenes Licht. In seinem engen Bezugssystem gebe es für das Licht weder Zeit noch Raum noch Geschwindigkeit. Es sei gleichzeitig Energie und Information, Inhalt und Form und bilde das Potenzial für alles, was existiert. Die Entstehung von Materie aus Licht erklärt sich Bohm so, dass bestimmte Lichtstrahlen über eine Prädisposition verfügen, die sie dazu veranlassen, ihr lineares Strahlungsverhalten zugunsten einer Hin- und Herbewegung aufzugeben, was sie dann als Teilchen erscheinen lässt.

C.L.
Gibt die Quantenphysik auch eine Antwort darauf, woher das Licht die Prädispositionen bezieht, die es veranlassen, sich in einer materialisierten Form zu präsentieren, in welcher es den Naturgesetzen unterworfen ist?
A.T.
Da liegt zwar noch vieles im Dunkeln, aber gerade in den letzten Jahren ist viel Licht in diese Finsternis gedrungen. Eine geradezu atemberaubende Spannung – für mich jedenfalls – erzeugen die Ergebnisse der sogenannten Interferenzversuche, die in jüngster Zeit durchgeführt wurden. Sie sind wie Wind auf die Mühlen der Mystiker aller Zeiten, und sie bestätigen wissenschaftlich, was die Vertreter der Philosophia perennis schon immer intuitiv erfasst und spekulativ postuliert haben. Ich will versuchen, den Sachverhalt so kurz und verständlich wie möglich wiederzugeben.

Bei den Interferenzversuchen werden Lichtstrahlen durch eine bestimmte Anzahl von Öffnungen geschickt. Verändert man die Anzahl der Öffnungen zum Beispiel von zwei auf vier, so gibt es Punkte, die hell sind, wenn Licht durch zwei Schlitze läuft und dunkel, wenn das Licht durch vier Schlitze dringen kann.

Daraus schließen Quantenphysiker unzweifelhaft, dass das Licht der dritten und vierten Öffnung mit den Punkten interferiert hat, das heißt zu einer Überlagerung geführt hat, die für die Verdunklung der Punkte verantwortlich ist. Nimmt man die beiden zusätzlichen Schlitze weg, erhellen sich die Punkte wieder. Die interferierenden Lichtstrahlen, die Photonen genannt werden, sind mit keinem noch so sensiblen Instrument messbar und nur durch ihre interferierende Wirkung wahrnehmbar. Sie sind absolut unsichtbar und werden als schattenhaft bezeichnet, während die sichtbaren Photonen fassbar genannt werden.

Die Versuche haben weiterhin ergeben, dass die Anzahl der schattenhaften Photonen wesentlich größer ist als die der fassbaren. Man geht von einer Untergrenze von 10¹² aus, das heißt, dass jedes fassbare Photon von mindestens einer Billion schattenhafter Photonen begleitet wird. Das bestätigt die Theorie Bohms von der impliziten Ordnung, nach der die wahrnehmbare Welt nur die Spitze des Eisbergs ist im Verhältnis zum Urgrund allen Seins.

Die Quantenphysiker sprechen allerdings nicht mehr von einer impliziten Ordnung, sondern von Paralleluniversen bzw. von einem Multiversum. Der britische Physiker David Deutsch, ein Spezialist auf dem Gebiet der Entwicklung von Quantencomputern, zieht daraus den Schluss, dass es in der Quantentheorie um die Wechselwirkung des Wirklichen mit dem Möglichen geht.
>> Interview2